Trauer bewältigen: Wie Lola durch Laufen zurück zu sich selbst fand
Lola ist 27 als ihr Sohn vier Monate nach der Geburt stirbt. Für sie bricht eine Welt zusammen. Aufgeben? Das ist nicht ihr Lebensplan. Lola läuft. Raus aus der Trauer hinein in eine Zukunft, in der sie sich und ihr Schicksal akzeptiert.
Das Geilste war die Zigarette nach dem Laufen
Mit 15 läuft Lola das erste Mal. Zusammen mit einer Schulfreundin. Eigentlich wollen die beiden abnehmen. Sie lacht: „Das Geilste war eigentlich immer die Zigarette nach dem Laufen. Da haben die Leute immer etwas sparsam geschaut.“ Aber das ist den beiden egal. Der traditionelle Dorf-Osterlauf über fünf Kilometer ist ihr erster richtiger Wettkampf. Da reicht es sogar für einen Platz auf dem Treppchen. Sie scherzt: „Erwähnen wir besser nicht, dass in unserer Altersklasse nur 3 Läufer teilgenommen haben“. Danach liegt die Sache mit dem Laufen erst mal auf Eis. Lola läuft nur noch sehr selten. Einfach nach Lust und Laune. Nach jahrelangem gelegentlichem Laufen überredet sie ihrer Schwiegermutter, mit dem Familienunternehmen an einem Firmenlauf teilzunehmen. Das macht ihr nach langer Abstinenz viel Spaß.
Stressige Zeit während der Schwangerschaft
Ein Jahr später tritt sie wieder beim gleichen Firmenlauf an. Da ist sie bereits schwanger. Die Ärzte meinen, sie kann nicht auf natürlichem Weg schwanger werden. Aber es hat trotzdem geklappt. „Das war der glücklichste Moment in meinem Leben“, sagt Lola. Ihr Leben ist während der Schwangerschaft stressig. Zusammen mit ihrem Mann Christian kauft sie ein sanierungsbedürftiges Haus. Das beanspruchte nicht nur viel Zeit, sondern auch ihre Nerven. Nach neun Monaten dann der wunderbare Augenblick. Der kleine Moritz kommt putzmunter zur Welt.
Für Lola bricht eine Welt zusammen
Vier Monate später erleidet Moritz den plötzlichen Kindstod. Ab diesem Moment ist für Lola nichts mehr so wie vorher. „Mir war alles egal. Kippen, Energydrinks und Kaffee waren meine Hauptnahrungsmittel“. Eine Welt bricht für sie zusammen. Wie soll sie mit diesem Schicksal umgehen? Wie wird sie das Erlebte jemals verarbeiten können?
Knapp neun Monate später ist sie erneut schwanger. Diesmal mit Hilfe einer Hormontherapie. Sport darf Lola in dieser Zeit nicht treiben. Die Ärzte haben sie als Risikopatientin eingestuft und ihr übermäßige körperliche Aktivitäten verboten. Vier Wochen vor dem vorausgesagten Geburtstermin geht alles ganz schnell. Vorzeitiger Blasensprung. Lola kommt mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus und Benno wird am nächsten Tag per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Fruchtwasser gelangt in seine Lunge. Die darauf folgende Untersuchung zeigt, dass seine Lunge komplett zusammengefallen ist. Auf dem Weg in die Kinderklinik kollabiert Benno mehrmals. Er kommt auf die Intensivstation und wird an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Morphium, Entwässerungsmedikamente und Kreislaufstabilisatoren halten den kleinen Körper am Leben. Vier endlose Wochen verbringt Benno auf der Intensivstation, danach noch zwei Wochen auf der normalen Kinderstation.
Trauer durch Laufen bewältigen
„Mit der zweiten Schwangerschaft wollte ich meine Angst abbauen. Die wurde aber stattdessen immer größer“, erinnert sich Lola. Weihnachten 2011 hält sie es nicht mehr aus. Um 7 Uhr morgens zieht sie sich die Laufschuhe an und rennt einfach los. Egal wohin, egal wie weit. Einfach nur rennen. Der Lauf tut ihr gut und sie bekommt den Kopf frei. Sie beschließt, wieder regelmäßig laufen zu gehen. Nach acht Monaten Training finisht sie ihren ersten 10 Kilometer Wettkampf. Ein Jahr später ist sie in Topform und läuft den Fisherman’s Friend StrongmanRun am Nürburgring. Doch ihr Verhältnis zum Laufen entwickelt sich in eine falsche Richtung. Aus Leidenschaft wird Sucht. Lola muss einfach laufen, um sich gut zu fühlen. Sie ignoriert die Warnzeichen ihres Körpers. Verletzungen werden einfach ausgeblendet. Erzielte Bestzeiten sind ihr nicht gut genug. Es musste höher, schneller und weiter sein.
Heute kann ich laufen. Früher musste ich.
Das hat sie dank psychologischer Unterstützung jetzt besser im Griff. Laufen bedeutet für sie mittlerweile Entspannung. Wenn es zeitlich mit dem Laufen mal nicht klappt, akzeptiert sie das. „Heute kann ich laufen. Früher musste ich“, denkt sie an diese schwierige Zeit zurück. Und Benno? Er ist ein aufgewecktes, junges Kerlchen. Bleibende Schäden hat er nicht davon getragen. Wenn Lola heute die Laufschuhe für einen Wettkampf schnürt, steht er am Straßenrand und jubelt seiner Mama zu. Vielleicht schlüpft er ja in Lolas Fußstapfen und ist bald selbst ein Läufer mit viel Leidenschaft.
Persönliche Anmerkung: Von Lolas Schicksal habe ich in einer Laufgruppe bei Facebook erfahren. Wir kannten uns vorher nicht. Ich möchte danke sagen für die offenen Worte und die vielen Nachrichten, die wir geschrieben haben. Ich hoffe, dass Lolas Geschichte eine Inspiration für andere Menschen ist. Für alle die glauben, dass es nach einem schweren Schicksal keine Zukunft mehr gibt. Danke Lola.
Wie hat Laufen dein Leben verändert?
Möchtest du auch deine Geschichte hier im Blog erzählen? Wie hat Laufen dein Leben verändert? Warum hast du mit dem Laufen angefangen? Was begeistert dich am Laufen? Schreib mir. Ich bin gespannt auf deiner Erfahrungen und Erlebnisse.
Hallo Kevin,
Ich bin Natali, 53, seit 42 Jahren Läuferin. Früher sehr ambitioniert, jetzt vor allem therapeutisch.
Einmal laufe ich der MS davon, die ich seit nunmehr 23 Jahren habe.
Und dann verarbeite ich damit die Trauer um meinen Bruder, der sich 2022 das Leben nahm. Er hatte mich in jungen Jahren zum Laufen gebracht und auch den Trainingsplan für meinen ersten Marathon geschrieben. Wenn du möchtest, teile ich meine ganze Geschichte mit dir und deinem Bog.